Wer regiert uns?

Dienstag. Der russische Außenminister Lawrow bietet einen Nichtangriffspakt zwischen Russland und Nato-Staaten an, und die Bundesregierung lehnt ab. Begründung: Man sehe „keinen Anlass, über neue Sicherheitsgarantien oder Nichtangriffsabkommen zu sprechen“, solange Russland seine Truppen nicht abziehe. Ernsthaft jetzt? Offenbar will man keine Deeskalation. Man will Aufrüstung, Angst, die nächste Eskalationsstufe, Anti-Russland-Propaganda und Kriegstreiberei. Wie glaubwürdig ist eine Regierung, die nach dem Angebot eines Nichtangriffspakts gegenüber Russland den Bürgern weiter einredet, man müsse sich „auf einen russischen Angriff vorbereiten“ — als sei der böse Russe kurz davor, Deutschland anzugreifen? Ich erkenne bei der Bundesregierung keine Friedensbemühungen. Im Gegenteil. Die Regierung scheint

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Schere im Kopf

Mittwoch. John Cleese bleibt unbeirrt: Er lehnt Änderungen an der Bühnenfassung von Das Leben des Brian ab. Besonders die berüchtigte „Loretta“-Szene sorgt in Zeiten überzogener Pseudosensibilität für Mimimi in der Woken-Gemeinde. Cleese stellt dagegen klar: In den vergangenen 40 Jahren habe es keinerlei Beschwerden gegeben. Alles bleibt, auch die Loretta! Dafür bin ich John Cleese außerordentlich dankbar. Der Film verletzt niemanden, er nimmt sanft auf die Schippe. Was seine KritikerInnen fordern, ist nichts anderes, als was das „Ministerium für Wahrheit“ in 1984 praktiziert: Umdeutung der Geschichte im Sinne der Ideologie. Jedes Kunstwerk ist ein kulturhistorisches Dokument, Finger weg von der

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Geliebte Menschen

Samstag. Meinen Lieblingspatenonkel U. und meine Lieblingstante S. in Hamburg freuen sich über unseren Besuch. Wieviel Kraft es ihn kostet, Gastgeber (Tee und Kekse) und Zuhörer und Geschichtenerzähler für uns zu sein mit seinen 95 Jahren, das zeigt sich nur in ganz wenigen Momenten. Wieviel Kraft es sie kostet, uns mit leiser Stimme einen Witz zu erzählen, das treibt mir die Tränen in die Augen. Sie trägt ihre Perlenohrringe. Sie liegt seit Wochen auf dem Rücken im Bett, sich selbst umzudrehen schafft sie nicht mehr. Sollen wir morgen nochmal vorbeikommen? Nein, sagt er nach kurzem Nachdenken: Der Kraftaufwand heute reiche

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Zuglektüre

Dienstag. Warte ich auf dem Bahnsteig und schaue einem abfahrenden Zug hinterher, und plötzlich entdecke ich durchs Fenster mein Buchcover. Das passiert nicht alle Tage: Ganz gechillt mit Brötchentüte und Wasserflasche liest da einer die Jungen Texte aus Eisenach. Sieht aus, als gefällt’s ihm.

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Nützliche Feinde

Freitag. Nach innen gibt es gerade einen neuen Feind: Friedrich Merz und sein „Stadtbild“ – und alle rennen Parolen schwenkend auf die Straße, auf dass die nächste Empörungssau durch den Medienwald gejagt wird. Nach außen ist es Russland, das klappt ganz wunderbar, kaum jemand war zwar in Russland und kaum jemand kennt Russen, doch alle sind sich einig, dass das Land und die Menschen des Teufels sind. Und wir sind eine riesige Schafherde: Augen zu, Ohren zu, Mund zu und mitrennen. In Wahrheit geht es Russland gut, es kooperiert mit drei Viertel der Länder der Welt, die Europäer natürlich ausgenommen,

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Neue Ufer

Mittwoch. Vormittags sechs Stunden Deutschunterricht mit meinen sog. „Langzeitarbeitslosen“ – junge Menschen, die aus Angst oder Frust die Schule abgebrochen haben. Und sich jetzt wieder in die Schulbank setzen – aber eine andere: wo Menschenwürde und Respekt an 1. Stelle stehen. Mir macht diese Arbeit total Spaß. Es ist Austausch, es ist gegenseitiges Geben und Nehmen. Die neue Gruppe – doppelt so groß wie die vorherige – liebenswürdig und aufgeschlossen wie die im letzten Jahr. Einfach tolle junge Menschen, denen eine gute Zukunft genauo zusteht wie ihren AltersgenossInnen aus dem sog. Bildungsbürgertum. Habe sie ein bisschen gequält heute: Barocklyrik, Vanitasmotive

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Freude mit Israel

Gestern war ein guter Tag. Vielleicht geht er in die Geschichtsbücher ein. Die letzten 20 lebenden israelischen Geiseln sind frei. Der bittere Beigeschmack: 2000 Hamas-Terroristen werden im Tausch aus israelischen Gefängnissen entlassen. Nach den Worten von Dunja Hayali im ZDF gestern Morgen: die meisten sind nur „ganz normale Palästinenser“. Vielleicht sollte Frau Hayali neben ihrer Sozial Media Auszeit auch mal über eine ZDF-Pause nachdenken. Die 20 Geiseln sind frei. Die Friedensleistung zeigt sich auch daran, ob wir, die wir an die gebetsmühlenartige Wiederholung vom „Rechtsextremen“ Trump und vom „Rechtsextremisten“ Netanjahu gewöhnt sind, nun in der Lage sind, diese unvorstellbare Leistung

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